„Eine Blumenwiese speichert mehr Wasser als englischer Rasen“

Vortrag in Reilingen: Dr. Andre Baumann gab Tipps, wie sich Kommunen angesichts des Klimawandels grüner und lebenswerter gestalten lassen

„Damit unsere Gemeinden auch angesichts des Klimawandels für uns alle lebenswert bleiben, muss jetzt gehandelt werden“, sagte der Ortsverbandssprecher der Reilinger Grünen Jochen Rotter auf dem Wersauer Hof in Reilingen. Der Ortsverband hatte den Landtagsabgeordneten der Grünen und Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Dr. Andre Baumann eingeladen darüber zu sprechen, nach welchen Kriterien eine grüne, lebenswerte Kommune gestaltet sein sollte. Anwesend waren neben Rotter unter anderem auch Lisa Dorn, Michael Hoffmann, Herbert Nehiba, Simon Schell und Uschi Troy von den Reilinger Grünen. Auch Reilingens Bürgermeister Stefan Weisbrod war zugegen und versicherte: „Wir von der Gemeinde sind für Vorschläge offen. Aber es ist wichtig, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen.“ Maßnahmen zu kommunizieren und zu erklären, sei unerlässlich, stimmte Baumann zu.

„Die Zahl der Hitzetoten in Deutschland steigt mit dem Klimawandel, das macht mir Sorgen“, sagte Baumann. „Wir erleben steigende Durchschnittstemperaturen und eine Mediterranisierung unseres Klimas. Daran müssen wir uns anpassen.“ Deswegen sei es wichtig, dass die Kommunen Hitzeaktionspläne ausarbeiteten, um Problemgebiete und Potenziale in den Gemeinden auszumachen und Fragen zu beantworten wie etwa: Wo können Grün- und Wasserflächen angelegt werden? Wo braucht es Windschneisen, um kühle Luft in den Ort zu leiten? „Grün- und Wasserflächen kühlen durch die Verdunstung“, so Baumann. „Auch Bäume sind wichtig; nicht nur, neue zu pflanzen, sondern auch alte zu erhalten. Vor allem muss deren Bewässerung eingeplant werden.“ Unterstützung erhielten die Kommunen etwa vom Umweltministerium: Mit der Klimapass-Förderung würden verschiedenste Maßnahmen – von der Kälteinsel bis zum Sonnensegel – gefördert, um in den Orten kühle Plätze zum Verweilen zu schaffen. Unter diesen Gesichtspunkten sollte beispielsweise der Reilinger Festplatz begutachtet werden, stellten die anwesenden Gemeinderatsmitglieder fest. Baumann weiter: „Sinnvoll ist es auch, im öffentlichen Raum Wasserspender für die Bürgerinnen und Bürger aufzustellen.“ 

Baumann empfiehlt Gemeinden dringend, eine Starkregenanalyse vornehmen zu lassen

Wasser generell sei natürlich ein wichtiges Thema: „Sommerliche Dürreperioden nehmen zu, das merken wir auch hier bei uns“, so Baumann. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Deutschland sei zwar noch dieselbe wie früher. Aber es falle mittlerweile mehr Regen im Winter, im Sommer werde es dagegen heißer und trockener. „Daher sollten wir unsere Kommunen Schritt für Schritt zu sogenannten Schwammstädten entwickeln, sodass Niederschlag nicht, wie bisher oft, ungenutzt im Abwasserkanal verschwindet, der Wasser in Richtung Rhein und Nordsee führt“, empfahl Baumann. Besser sei es beispielsweise, für das Regenwasser Versickerungsflächen zu schaffen oder es in Zisternen zu sammeln. Und: „Eine Blumenwiese speichert mehr Wasser als englischer Rasen“, so Baumann. Die Wiese auf dem Weg von Reilingen nach Hockenheim böte sich vielleicht als Testwiese dafür an, stellte der Grüne Ortsverband fest. 

„Zudem ist natürlich Hochwasserschutz wichtig für die Kommunen, das klappt ja auch schon gut“, so Baumann weiter. Auch empfehle Baumann jeder Gemeinde, eine Starkregenrisikoanalyse vornehmen zu lassen, um Gefahrstellen auszumachen, die volllaufen oder Gebäude, die für Menschen bei Hochwasser zur Gefahr werden könnten. „Wir müssen auch dafür sorgen, die Schwammfunktion unserer Landschaften zu erhöhen.“

Gesunde Wälder und viele Grünflächen sind nicht nur wichtig zur Kühlung, für das Klima und zur Wasserspeicherung, sondern auch für die Artenvielfalt. „Die Biodiversität ist mittlerweile in vielen Kommunen oftmals innerorts größer als außerhalb“, erläuterte Baumann. „Deswegen bin ich sehr froh, dass wir beim Naturschutz in Baden-Württemberg gut mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten. Und die Grünflächen aller Art bieten innerorts eine große Chance für den Artenschutz, wenn sie gescheit angelegt sind.“ Sogenannten Schottergärten müssten die Gemeinden daher unbedingt weiter entgegenwirken. Und nicht nur die Gestaltung von öffentlichem Grün und heimischen Gärten sei wichtig. Auch die Fassaden und Dächer bieten Flächen, die für Begrünung genutzt werden können – und bald auch müssen. „Wir haben in der Landesbauordnung festgelegt, dass Neubauten in zehn Jahren Begrünungen aufweisen müssen“, berichtete Baumann. „Für Häuslebauer kommt es günstiger, wenn sie das jetzt direkt miteinplanen.“ Und auch im Bestand seien Begrünungen von Fassaden und Dächern sinnvoll. Auf Flachdächern könnten diese auch gut mit Solarpaneelen kombiniert werden. „Natürlich ist es dabei aber erforderlich, die Statik zu beachten“, so Baumann. Generell empfiehlt er Hausbesitzern, sich vor einer Begrünung gut beraten zu lassen.

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